werde ich mich bei einem Brevet nach hinten raus dermaßen mit Termindruck stressen.
Zur Erinnerung: Am 4.Mai war ja das Sattelfest in Bückeburg geplant, auf welchem der rikscha-kuli.de auch als Attraktion geladen war. So war denn die Ansage: am 3.Mai in LINGEN,Emsland um 21:04 wieder auf dem Bahnhof stehen und mit der letzten Bimmelbahn heim. Kein Problem, oder, 15 Stunden reicht, Vätternrundan hab ich damals in 13h geschafft?
Aber wenn man was Wichtiges vorhat, kommt es immer anders…
So fuhr ich dann mit Minimalgepäck am Freitag um 13:00 los, um standesgemäß den Startort Lohne/Ems mit dem Rad zu erreichen. Dies hehre Vorhaben scheiterte bereits in Minden, wo ich angesichts des einsetzenden Landregens beschloß, daß es echt doof ist, 120km durch Regen und Matsch zu fahren, um dann am Morgen mit den gleichen Plünnen den 300er in Angriff zu nehmen. Also, angesichts des letzten Bahnhofs an der Radstrecke: Planänderung.
Nach einigen amüsanten Beobachtungen in der Lohner Gastronomie zum Thema Flexibilität und Einfallsreichtum (wenn ICH ein Hotel hätte, in dem über ein dutzend Radfahrer absteigt, würde ich wohl keinesfalls weder Frühstück noch Abendessen anbieten, mit Hinweis auf fehlende Aushilfe) gingen dann ca 40 Randonneure morgens um 6 Uhr im Cafe ´Remarque an den Start.
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Nach ein paar aufmunternden Worten und der üblichen (wichtigen) Belehrung über das randonneurgemäße Verhalten im öffentlichen Verkehr ging es dann auch pünktlich um 06:00 los, bei zwei Grad plus, da war ich auch nicht so ganz drauf eingestellt, da der Wetterbericht irgendwie während der Anreise kollabiert war. Nur noch 11 Grad, und die 4kn Wind hatten sich wohl auch erledigt, es pfiff wie Sau. Dafür blieb es aber sonnig und trocken, also auszuhalten.
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Bei steifem Nordwind fuhren wir westlich über die niederländische Grenze, anfangs noch von Fotografen des RSC Lohne eskortiert, schon bald verschwand die „schnelle Gruppe“ am Horizont, alles wie üblich. Ich kam bald mit einem anderen Randonneur ins Gespräch, der erzählte von seiner Teilnahme am Marathon des Sables vor Kurzem und man quatschte, navigierte und trödelte einigermaßen zügig durch die Morgensonne.
Erste Kontrolle, Restaurant Braakmann, Stempel, schnell ein Kaffee, die Idee wurde von meinem Begleiter im Nachhinein für gut befunden, weiter ging es. Der Nordwind war unangenehm kühl und hinderlich, über 25km/h Schnitt wurde die Sache anstrengend, also Ball flachgehalten, auch um nicht zu stark zu schwitzen.
Emmen, Zwolle, Scheerwolde passieren wir, ein malerischer Wechsel von endlosem Agrarland, Seen, Grachten, malerischen Ortsdurchfahrten und Windmühlenszenerien.
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Abgesehen von den erfreulich wenigen Kfz insgesamt genieße ich die Landschaft, die oft noch aussieht, wie von
Pieter Bruegel gemalt, und amüsiere mich mitunter, weil auch die Gesichter der Menschen an der Straße mitunter noch genauso aussehen, wie dieser sie vor bald 500 Jahren gesehen hat.
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Ein paar km später, ich habe kurz zuvor die obligatorische „Schnapszahl“ der Jahreskm dokumentiert, schließt mein Begleiter zu mir auf und erklärt, er wolle sich ja nicht einmischen, aber mit Blick auf die Uhr werde das mit meinem Zeitplan wohl knapp, ich hätte also von ihm aus freie Fahrt. Spinnt der? Eben bezahlt er noch den Erdbeerkuchen(lecker!) und jetzt schickt er mich weg…
Jetzt haben wir die Hälfte geschafft, es geht nordwärts, direkt in den Wind, und ich soll losfahren? Nö.
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In HIJKEN, letzter Kontrollpunkt noch 88km, witzele ich beim Kaffee – der ist inzwischen obligat- , daß Hiken( per Anhalter) nach Hause jetzt auch nicht so schlecht wäre, dann radeln wir die Gracht entlang weiter.
Ich hab mich eigentlich schon aufs Hotel eingestellt, aber nun kommt der Wind von hinten, verborgene Körner werden mobilisiert und ich denk so:“Na…?“
Im nächsten KOOP kaufen wir noch Getränke, Fruchtsaftgetränk Ananas/Mandarine, sin Zuiker, „niet so lekker“. Das stimmt in der Tat, ist aber immerhin flüssig.
Langsam, aber stetig setze ich mich von unserem Grüppchen ab. Mit dem Schub einer erfrischenden Coke von der Shell in NIEUW AMSTERDAM, den Blick auf dem GPS Track blind und taub dem Ziel entgegen. Van Gogh Haus? Keine Zeit, muß zum Bahnhof. Moorlandschaft? Abendsonne auf dem Feldrain? Fehlanzeige.
20:33 steh ich solo am Cafe ´ Remarque, schmeiße das Carnet du route in den Briefkasten und denke: „Fuck“.
Auf Hotel in LOHNE hab ich keinen Bock mehr, also schon mal nach LINGEN fahren, dann geht ´s morgen früh schneller.
Naja, schnell gefahren bin ich ja schon lange, also – Versuch macht kluch! Natürlich verfahre ich mich dann in LINGEN erstmal, aber zu guter Letzt bin ich am Bahnhof:
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Ich schaffe es sogar noch, mir gültige Fahrausweise aus dem bescheuerten Automaten zu ziehen.
In RHEINE 45min Aufenthalt, da gibt ´s dann endlich „Essen“, Fantasie aus Hähnchenbrust mit süßem Brötchen an Salat, Stiftkartoffeln an Eigelb-Essig Vinaigrette und Süßgetränk mit südamerikanischen Kräuterextrakten im Restaurant
„La grande M jaune“
Rikschafahren wird klappen, nach nem Absacker in der Kneipe um die Ecke bin ich um 02:00 zuhaus.
Bin stolz, das noch geschafft zu haben.
ABER:
Weil ich mich so unter Zeitdruck gesetzt habe, habe ich diesmal alles das verraten, worum es mir beim Brevetfahren geht:
Einheit mit der Natur, Landschaft genießen, orientiert sein.
Die netten, ausgedehnten Pausen, und irgendwo ein lokales Gericht kennenlernen.
Einfach mal halten, die Sonne spüren, den Vögeln lauschen.
Schade, denn die Strecke ist wirklich toll.
Und ich hätte ja bis 02:00 Zeit gehabt.
Darum: Nie wieder mit so engem Zeitplan.
Irgendwie lernt man bei jedem Brevet was.