Brevet400 geschafft 2011

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400km Brevet Kiel

oder

Ich und die anderen

Das Eisenschwein

„Damit fährst Du? Und mit Winterreifen? Noch nicht mal Slicks?“

Ein abfälliger Ausdruck spielt um die Lippen des Redners, „das ist aber mutig“

„Wieso, entgegne ich, „der Anhänger bleibt doch hier“

Die Mundwinkel ziehen sich noch etwas tiefer, wortlos geht er seines Weges.

Na toll, es geht noch nicht einmal los, da muß mich schon einer beleidigen.

„Viel Spaß!“ ruft Stefan, schwingt sich auf sein Rad und wir rollen los.

Swoooosch! Erste Kurve.

Swoooosch! Zweite Kurve.

Swoooosch! Dritte Kurve.

Alle weg

Ein leichter, beißender Testosterongeruch hängt noch in der Luft.

Na gut, also 400km solo. Aber ich kapiere, warum der Funzionär vom Verein immer von den Triathleten gequatscht hat, gestern.

Vor mir liegt nun eine Tour von Kiel nach Kiel, via Rendsburg, Glückstadt, Hennstedt, Reinefeld, Grömitz, Heiligenhafen nach den üblichen Regeln: bestimmte Zeitfenster zum Stempeln um um 11:12 morgen, am Sonntag muß alles vorbei sein. Ich spüre noch etwas Leere in den Beinen von der 300km langen Anreise mit dem Gespann, aber die Sonne scheint und es ist eine wirklich herrliche Strecke.

An der ersten Station bin ich schon 58min vor Kontrollschluß. Na bitte.

Das Elend beginnt in Rendsburg, wo wir nach Süden drehen, um dann von Glückstadt bis Grömitz in Richtung Osten zu fahren, bei 20km/h OstSüdOst etwas blöd. Es ist recht warm, aber der Wind kühlt mächtig aus, ich radle hochgeschlossen mit Halstuch durch die Ebene. Und schwitze wie ein Vieh.

Henstedt: die junge Frau in der Tanke erklärt, vor ein paar Stunden sei „eine ganze Horde von ihrer Sorte“ dagewesen, die hätten rumgeschrien und gedrängelt und einige seien schon total fertig gewesen. Vielleicht sieht sie das ja auch ein wenig eng, ist aber nichts, was ich mit Rennradlern nicht schon erlebt hätte. Ich erinnere mich dunkel, im Kodex der Randonneure was von zurückhaltendem und freundlichen Auftreten gelesen zu haben.

Ich erkläre freundlich, das sei nicht meine Sorte.

Nach einem Teller Nudeln und einem Jever „komisch“ (das schmeckt auch komisch) in der nächsten Bude stelle ich fest, daß es nun hügelig wird. Da werden die Kaputten vorne aber Spaß haben. Der einsame Liegeradler wird auch eine lange Nacht erleben, aber die kennen das ja, systembedingt.

Inzwischen zwei Stunden auf Kontrollschluß herausgefahren.

In den Hügeln ist der Wind arg lästig, ich stemme mich hinein: „Mehr!“ will ich gerade brüllen, „mehr, Poseidon! Ist das alles, was du drauf hast?“Ich entsinne mich gerade noch, daß der Letzte, von dem so ein Spruch überliefert ist, anschließend eine ziemliche Odyssee erlebte. Gut,gut, klag nicht, kämpfe!

Bei dieser Wegbeschreibung sollte ich vielleicht sowieso vorsichtig sein, die ist irgendwie so hingehuddelt, nach dem Motto „brauchen wir eh nicht, wir fahren zusammen, der Führer kennt den Weg“

Vielleicht bin ich ja vom Militär her zu verwöhnt, was präzise Wegbeschreibungen betrifft, aber so geht das wirklich nicht. Ortsnamen auf Wegweisern stimmen nicht überein usw, hätte ich den GPS-Track nicht ……

Mit hereinbrechender Nacht steigt meine Laune noch, es rollt locker, ich bin weit vom Zeitlimit entfernt und die strecke ist in der Tat herrlich. Die abendliche Kühle zaubert wie immer noch ein paar Körner heraus, und als mir in Grömitz, wo ich zwar weit hinterm Feld aber dennoch drei Stunden im Guten liege in der Kneipe ein muffeliger Randonneur in die Arme stakst, steigt meine Laune noch mehr. Er brummt was von Defekt, ich hätte nicht gedacht, daß ich noch einen von denen treffe, mit nem CW Wert wie ne Einbauküche.

Der sagt übrigens, ohne den Track wäre er schon längst ins Hotel gegangen (!)

Ich will ihn dann mitnehmen, aber es harmoniert überhaupt nicht und er bietet mir schon nach ein paar km freie Fahrt an. Der hat keinen Bock mehr.

Und tschüß!

Ich schon, ich esse Eis, gucke Sterne oder Aussicht und die Beine wirbeln, daß es eine Freude ist.

Gemütlicher Kaffeeplausch in Heiligenhafen, wo mich ein paar hübsche Nachtschwärmerinnen befragen, warum man so etwas tut, ich grinse:

„Ich würd jetzt gerne sagen, das ist son Testosteronding, aber da waren auch Frauen mit.“ Siehste, man bekommt als Sportler schon seine Aufmerksamkeit, die muß man nicht erzwingen.

Weiter genisse ich die Fahrt durch die nächtliche Stille, treffe unzählige Rehe, Marder, Hasen, einen Igel und – ach du Schreck- einen brünstigen Keiler, der vor mir resolut über die Straße marschiert. Uff, zu dieser Jahreszeit sind die zottigen Burschen äußerst diskussionsfreudig. In der Böschung bricht die Rotte davon …

An der vorletzten Stempelstelle weiß die Angestellte nicht Bescheid. Hat wohl keiner mit gerechnet, daß einer der Athleten Trecker fährt und für nötig gehalten, den Leuten zu sagen, daß die Kontrolle bis 09:36 geht. Ich scherze gut gelaunt herum, bekomme einen Stempel und heißen Kaffee. Dann suche ich mir erstmal was zum Früstücken in der Sonne. An so einem Morgen geht man doch nicht pennen!

Am Ziel ist es noch besser: Der Tropf weiß nicht Bescheid und hat nicht mal einen Stempel in seiner Tanke. Das der letzte Kontrollpunkt im GPS fast 6km versetzt eingezeichnet ist, ist schon fast egal. Ich kaufe ein Bier, um einen Bon als Beleg für meine Zeit zu haben.

Ungeachtet der Widrigkeiten habe ich diesen Brevet genossen. Eine herrliche Strecke mit allen Facetten Schleswig Holsteins, die ich wohl als einziger wahrgenommen habe, fröhlich auf dem Pannensicheren Reiserad schaukelnd während die Anderen zähneknirschend auf Schlaglochpisten, wie es sie nur im Westen gibt, Kette gaben.

In Ordnung, wer das so braucht, mir recht. Jedem seins. Auch wenn ich „Randonneur“ mit „Wanderer“ übersetze.

Traurig fand ich nur, daß man mir nach dem ersten Blick aufs Rad die Zugehörigkeit absprach. Bitte, der Doofmann, der mich beleidigen musste, so was perlt ab.

19.5 kg

26er Schwalbe Marathon Tour

Controle Ferme ´: 11:12 Uhr

Auf meiner Karte steht 11:11 Uhr

Reicht doch.

Le randonneur, c ´est moi.

Le randonneur, c ´est moi